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Eva Barlösius: Lebensreform und Staatskritik

3. Juli 2023, 10:00 - 12:00

Studierende der HU können sich über AGNES anmelden, externe Interessenten melden sich bitte per e-mail im Sekretariat für den Zugang zum Moodle-kurs: ifg-sekretariat19jh@hu-berlin.de

Ringvorlesung: Natur und Umwelt. Zu Chancen und Risiken im 19. Jahrhundert

Natur und Umwelt lassen heute keinen kalt. Angesichts einer vielfach düster gezeichneten Klima-Zukunft ist es in mancherlei Hinsicht spannend, sich die Vergangenheit der Umwelt anzusehen. Zu den zahlreichen Verbindungen, die die Gegenwart mit dem 19. Jahrhundert verknüpfen, zählt die Bedeutung, die der Natur beigemessen wurde. Die ambivalenten Modernisierungserfahrungen am Anfang und Ende des 19. Jahrhunderts führten schon damals dialektisch zur Rückbesinnung auf die Natur. Die Landschaftsbilder der Romantik zeugen ebenso von einer Sehnsucht nach dem „Ursprünglichen“ wie die Lebensreformbewegung am Übergang zum 20. Jahrhundert, als einzelne Aussteiger und diverse Gruppen eine Abkehr von der Industrialisierung und eine Rückkehr zur Natur vollzogen. Nacktkörperkultur, Lichtbäder, fließende Kleider und Kommunen als neue Lebensformen nahmen schließlich vieles von dem vorweg, was die Hippies der 1970er Jahre wiedererfinden sollten.

Aber im 19. Jahrhundert wurde die Natur nicht nur verehrt. Sie wurde in Infrastrukturprojekten erobert und durch die Industrialisierung ausgebeutet. Energieressourcen, die sich über Jahrtausende in der Erde angereichert hatten, wurden verschwendet. Kanäle wurden durch das Land gegraben und Flüsse in ein neues Bett gezwungen. Die europäischen Landschaften, die uns heute so „unberührbar“ erscheinen, sind vielfach das Produkt menschlichen Eingreifens im 19. Jahrhundert. Dass das „Natürliche“ oftmals ein Produkt von menschlichen Manipulationen war, zeigt sich nicht zuletzt in der soziokulturellen, diskursiven Aneignung der Natur als Argument. Um etwas als unabänderlich darzustellen, musste es nur als „natürlich“ präsentiert werden. Gerade wer z.B. Interesse hatte, hierarchische Genderordnungen zu zementieren, musste nur auf ihre „Natürlichkeit“ verweisen.

Diesen verschiedenen Ebenen und Bedeutungen von „Natur im 19. Jahrhundert“ soll in dieser Ringvorlesung nachgegangen werden. Wer die Umweltgeschichte als „deep history“ seit Urzeiten an betrachtet, verliert oftmals den Zäsurcharakter des 19. Jahrhunderts aus dem Auge. Gerade in dieser Zeit aber beginnt mit der Industrialisierung das Anthropozän, beginnt jetzt eine neue Form der Naturausbeutung und zugleich eine neue Form der Naturverehrung. Die Nachwirkungen spüren wir bis in unsere Tage. Insofern ist diese Geschichte der Natur nicht nur ein besonders interessanter Aspekt einer faszinierenden Epoche, sondern auch Teil der unmittelbaren Vorgeschichte unserer Gegenwart.

Zu dieser Ringvorlesung werden Kolleginnen und Kollegen eingeladen, die sich als Vertreter:innen der Umwelt- und Naturgeschichte einen Namen gemacht haben. Auf diese Weise sollen Studierende nicht nur mit einem spannenden Forschungsfeld, sondern auch mit der neuesten Forschungsliteratur in Kontakt und mit deren Verfassern ins Gespräch kommen können.

Veranstaltungsort

Zoom

Veranstalter

Humboldt-Universität zu Berlin