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Daniel Wrana: Der Habitusbegriff im Kreuzverhör. Theoriestrategien und Gegenstandskonstruktionen bezüglich sozialer Ungleichheit und Klassismus

Ringvorlesung: Eine Klasse für sich…? Leben mit Geschlecht und Herkunft
Anmeldung unter: https://kw.uni-paderborn.de/gender-studien/workshops-tagungen-vortragsreihen/ringvorlesung-eine-klasse-fuer-sich/an
Noch immer bestimmt die soziale Herkunft eines Menschen maßgeblich spätere Bildungs- und Karriereverläufe. Immer wieder zeigen Studien der empirischen Bildungsforschung, wie die selektive Struktur des deutschen Bildungssystems Kinder aus Akademiker:innenfamilien strukturell begünstigt. Von 100 Akademiker:innenkindern beginnen 74 ein Hochschulstudium und 63 dieser Kinder schließen ihr Studium mit einem Bachelorabschluss ab. In der Gruppe der Kinder von Nicht-Akademiker:innen nehmen hingegen nur 21 ein Studium auf und nur 15 schließen ihr Studium mit dem Bachelor ab (vgl. Reuter et. al 2020: 14). Echte Chancengleichheit scheint folglich nach wie vor eine Illusion zu sein.
Wird die soziale Herkunft im Zusammenhang mit der Kategorie Geschlecht betrachtet, erscheint besonders für Frauen eine doppelte Benachteiligung, da nicht nur die Klassenposition relevant wird, sondern auch ihr Geschlecht zu einer Benachteiligung „hinsichtlich Status, Anerkennung, Funktion und Prestige“ (Wöhl 2018: 2) führt. Reproduktionsarbeit aber auch Qualifikationserfolge unterliegen immer noch der Geschlechterhierarchie.
Ziel der Ringvorlesung ist es, den interessierten Teilnehmer:innen einen Überblick darüber zu geben, wie die Klasse, Geschlecht sowie ihre Verbindung Einfluss auf Karriere- und Bildungswege nehmen. Wir freuen uns, dafür ausgewiesene Expert:innen des Forschungsfeldes für Gastvorträge gewonnen zu haben, an denen über Zoom teilgenommen werden kann.
Neben der Öffnung der Ringvorlesung für die Studierenden der Universität Paderborn richtet sich die Veranstaltungen außerdem an Praktiker:innen der Sozialen Arbeit, des Bildungssektors und die breite außeruniversitäre Öffentlichkeit.
15.11.2022: Prof. Dr. Daniel Wrana: Der Habitusbegriff im Kreuzverhör. Theoriestrategien und Gegenstandskonstruktionen bezüglich sozialer Ungleichheit und Klassismus
Mit dem Buch „Die feinen Unterschiede“ hat Pierre Bourdieu eine Theorie sozialer Ungleichheit vorgelegt, die deren Reproduktion darüber erklärt, dass soziale Gruppen sich mit ästhetisch-symbolischen Mitteln voneinander abgrenzen und nicht nur als verschieden, sondern als hierarchisch aufeinander bezogen erkennen. Der Habitus gilt dabei als ein Komplex von dem Denken und Handeln und dem Körper eingeschriebenen, über Sozialisation vermittelten Strukturen, die qua Trägheit für soziale Stabilität sorgen. Dieser Vorschlag zur Theoretisierung war so erfolgreich, dass der Habitusbegriff nicht nur in verschiedenen Kontexten genutzt wurde, sondern durch die Art und Weise, wie er genutzt wird, auch ganz verschiedene Bedeutungen und Funktionen dabei einnimmt, wie er „Ungleichheit“ einerseits und „menschliches Handeln“ andererseits als Gegenstand entwirft. Den Habitusbegriff ins Kreuzverhör nehmen bedeutet, seine Lesarten miteinander zu konfrontieren und genau hinzuschauen, was die Rede vom Habitus jeweils hervorbringt.