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Andreas Umland: Russischer Faschismus? Debatten um die Klassifizierung des Putin-Regimes vor und nach dem 24. Februar 2022
10. November 2022, 11:00 - 13:00
„The Burden of our Time“? Putins Russland und die Autokratie im 21. Jahrhundert
Bei Interesse können Sie sich mit vollständigem Namen und jeweils bis zum Montag per Email registrieren unter: hait@mailbox.tu-dresden.de. Einige Tage vor der Veranstaltung erhalten Sie dann den Zugangslink.
Spätestens seit dem 24. Februar 2022 sehen wir uns mit der Herausforderung konfrontiert, Aktionen der Russländischen Föderation und ihres Präsidenten, Wladimir Putin, nicht lediglich in das internationale Tagesgeschehen einzuordnen. Auch für die Geistes- und Sozialwissenschaften markiert dieses Datum eine „Zeitenwende“. Die geschichtsmythologische Rechtfertigung imperialer Herrschaftsansprüche und die erklärte Feindschaft gegenüber der westlichen Welt, die umfassende Monopolisierung der öffentlichen Kommunikation innerhalb Russlands in Verbindung mit Strategien der Korruption und der Wahrheitsmanipulation zur Schwächung der westlichen Gesellschaften, und schließlich die unverhohlene Androhung von Völkermord als Mittel der Kriegsführung bzw. dessen Rechtfertigung im konkreten Fall – diese den kriegerischen Überfall auf die Ukraine begleitenden Umstände gilt es in aller Schonungslosigkeit zu verstehen, einzuordnen und auf den Begriff zu bringen. Dass es dabei keinesfalls um tröstende Selbstbeschwichtigung gehen darf, hat Hannah Arendt vor 72 Jahren im Vorwort zu ihrer Totalitarismusschrift auf den Punkt gebracht.
“The burden which our century has placed on us” bezeichnete die zu diesem Zeitpunkt alles andere als überwundene existenzielle Bedrohung der modernen Demokratien und ihrer internationalen Ordnung durch die in der Mitte des 20. Jahrhunderts wütenden Spielarten totaler Herrschaft. „The Burden ouf our Time“ – unter diesem Titel hatten daher die britischen Verleger die Erstausgabe von Arendts opus magnum herausgebracht, bevor sich dann der Titel der US-amerikanischen Ausgabe „The Origins of Totalitarianism“ als griffigere Chiffre dieser genealogischrekonstruktiven Lektüre von Nationalsozialismus und Stalinismus etablieren sollte.
Repräsentiert die russländische Autokratie und ihre aggressive, auf dem Bruch des Völkerrechts und entgrenzter Kriegsführung beruhende Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen die Last, die unser globalisiertes Zeitalter zu tragen, der sie sich zu stellen hat? Gewiss nicht die einzige, wenn man nur an die Herausforderung der freiheitlichen Demokratien durch die Weltmacht China denkt. Dennoch ist es hilfreich, sich bei der Annahme der Herausforderung durch die russländische Autokratie auf die geistigen Traditionen und Ressourcen zu besinnen, mit denen frühere Generationen von Sozialwissenschaftlern und Philosophen den traumatischen Schock der „totalitären Erfahrung“ verarbeitet haben. In diesem Sinne wird unsere Vortragsreihe Positionen und Vorschläge zur herrschaftstheoretischen Einordnung von „Putins Russland“ zur Diskussion stellen.
10.11.2022: Andreas Umland (Stockholm Centre for Eastern European Studies): Russischer Faschismus? Debatten um die Klassifizierung des Putin-Regimes vor und nach dem 24. Februar 2022