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Iris Schäfer: Feste Bindung an lose Stoffe: Kleider-Tagebücher als Artefakte, Textsorte und Inspirationsquelle

21. Juni 2023, 18:30 - 20:00

Ausgehend von so genannten Kleider-Tagebüchern möchte ich in diesem Vortrag Schlaglichter auf eine überaus intime und bedeutsame Mensch-Objekt-Beziehung werfen und eine bisher kaum erforschte Textsorte fokussieren. Kleider-Tagebücher, in denen Fragmente von Textilien aufbewahrt und mitunter mit Zeichnungen, Notizen oder Schnittmustern ergänzt wurden, zeugen von der Relevanz, die individuell angefertigte Kleidung für das Leben und rückblickend betrachtet, die Biografie eines Menschen aufweisen kann.

Vom Taufkleid über die Konfirmations- und Hochzeits-kleidung bis zum Totenhemd: Kleidung markiert Status- und Rollenübergänge, schafft Abgrenzung oder Zugehörigkeit(en). Diese Bedeutung von Kleidungsstücken wurde u. a. aus kulturhistorischer Perspektive bereits in den Blick genommen. Die vermehrt zwischen dem frühen und der Mitte des 19. Jahrhunderts angefertigten textilen Biografien, erscheinen gerade daher so interessant, weil hier nicht die oben genannten bedeutsamen Kleidungsstücke im Zentrum stehen, sondern die auf den ersten Blick weniger relevante Alltagskleidung.

Angefertigt wurden Kleider-Biografien primär von Müttern, weshalb hier hauptsächlich Kinderkleidung thematisiert wird. Abgesehen von einem dokumentarischen Charakter gibt diese Textsorte somit Aufschluss über (idealisierte) Mutter-Kind-Symbiosen, die über das Einkleiden bzw. die Anfertigung einer zweiten Haut (vgl. Funke 2006) zur Darstellung gelangen.

Wie im Fall der Kinderliteratur, ist auch hier ein Diskurs über Kinder aus erwachsener Perspektive dominant, der jedoch um einiges intimer ausfällt, was ich am Beispiel ausgewählter kinderliterarischer Texte veranschaulichen werde. Die eingekleideten Kinder, um die es hier geht, verschmelzen mit textilen Artefakten und Schnittmustern, die zu einer multi-sensorischen Lektüre einladen.

Bei der literaturwissenschaftlichen Analyse dieser Textsorte ist insbesondere die Adressierung, die Lesendenlenkung, die Inszenierung von Autorschaft sowie der Status der hier abgebildeten Artefakte und der ihnen eingeschriebenen Kindheitsbilder zu erwägen. Im Ausblick werde ich zudem auf auffällige Analogien zwischen diesen textilen (auto-)biografischen Texten und anderen (kinder-)literarischen Genres und Medien eingehen, um den Stellenwert erzählter Kleidung für die (Kinder-)Literatur herauszustellen.

Veranstaltungsort

Zoom

Veranstalter

Goethe-Universität Frankfurt am Main